Geschichte

Aus der Geschichte
von Pfyn

Nicht jedes Dorf kann sich einer Sage rühmen oder ist – wie Pfyn – durch eine historische Persönlichkeit mit einer solchen verbunden. Hier hat vor vielen hundert Jahren Joachim Mötteli von Rappenstein geherrscht, der aus dem Turm seiner Behausung das Gold mit einem Eimer wie aus einem Brunnen geschöpft haben soll. Nun bezieht sich diese Überlieferung zwar auf den Sulzberg, den uralten Stammsitz der Familie ob Rorschach, doch hat der in jeder Hinsicht bemerkenswerte Feudalherr auch in Pfyn bis heute sichtbare Spuren seiner Herrschaft hinterlassen. 1537 liess er im Städtli jenen markanten Bau errichten, der ihm als Schloss diente und den die Pfyner Kinder seit 1864 als Schulhaus nutzen können. Geborgen auf und hinter dem Städtli- und Berglirücken liegt. Geborgen auf und hinter dem Städtli- und Berglirücken liegt Pfyn, wohlbehütet vor der launischen Thur, die durch viele im Laufe langer Jahre gemachter Korrektionen ihrer Gefährlichkeit aber nur teilweise beraubt worden ist.

Repliken der pfynzeitlichen Holzgefässe. Vorlagen sind Funde aus Pfyn-Breitenloo und Gachnang-Niederwil (Foto: archaeologie-online.de)

Funde im westlich des Dorfes gelegenen Breitenloo beweisen, dass Pfyn bereits in vorgeschichtlicher Zeit besiedelt gewesen sein muss. Die Zeugnisse, darunter Pfahlbauten aus der Jungsteinzeit, waren so bedeutend, dass von einer «Pfyner Kultur» gesprochen wird. Entstanden ist Pfyn aus dem befestigten römischen Lager «Ad fines» («an der Grenze», womit die Lage zwischen den Provinzen Rätien und Gallien beschrieben ist) und verdankt der lateinischen Bezeichnung auch seinen heutigen Namen. Das Kastell ist spätestens ab dem 4. Jahrhundert bezeugt, wahrscheinlicher ist aber eine römische Besiedlung seit etwa Christi Geburt. Über Pfyn führte die alte römische Heerstrasse von Vitudurum (Oberwinterthur) nach Arbor Felix (Arbon), und eine Querverbindung zweigte von hier über den Seerücken nach Tasgetium (Eschenz) ab. Im Städtli sind die Überreste eines römischen Kastells mit teils gut erhaltenem Mauerwerk freigelegt worden.

Wäre nicht die Kirche, so würde Pfyn im Mittelalter im Dunkel der Geschichte verschwinden. So aber wissen wir, dass Pfyn eines der ersten Gotteshäuser im Thurgau hatte und Mutterkirche der umliegenden Gotteshäuser war. Nach der Überlieferung wurde sie von Bischof Salomon III. um 900 dem Domstift zu Konstanz einverleibt. Der Dompropstei gehörten auch die meisten Höfe in Pfyn; nach einem Urbar von 1351 besass sie dort 13 Huben (= Höfe). 1445 fand bei Pfyn ein Gefecht zwischen dem thurgauischen Landsturm und der eidgenössischen Besatzung von Wil statt. Der gewissenhafte Historiker Pupikofer weiss zu berichten, dass Pfyn bis zu einer Feuersbrunst, die 1476 den Ort verheerte, in seinen Überresten noch einen schwachen Widerschein der römischen Herrschaft gezeigt haben soll. Ab 1460 war der Thurgau eine Gemeine Herrschaft, d.h., ein von den sieben bzw. acht alten Orten gemeinsam verwaltetes Gebiet. Sie stellten abwechslungsweise im zweijährigen Turnus den Landvogt. Er residierte in Frauenfeld und übte die hohe Gerichtsbarkeit aus. Die niedere Gerichtsbarkeit war käuflich, und tatsächlich teilte sich in der Blütezeit der Alten Eidgenossenschaft der Thurgau in gut 100 Gerichtsherrschaften. 1464 ging die Herrschaft Pfyn aus dem Besitz der Herren von Klingenberg an Werner von Holzhausen über. Von ihm kam sie 1486 in die Hände der uns bereits bekannten Mötteli von Rappenstein. Ihre Nachfolger waren 1560 Peter von Gundelfingen (seines Zeichens Vogt zu Urach in Württemberg), 1567 Graf Otto von Eberstein (er ertrank 1576 bei Antwerpen in der Schelde) und 1584 Wolf Wambolt von Umstadt (sein eleganter Grabstein ist heute an der Innenseite des Kirchenschiffs eingelassen). Sohn Kasimir verkaufte die Herrschaft Pfyn schliesslich 1614 um 85 000 Gulden dem Stand Zürich, der sie bis zum Untergang der Alten Eidgenossenschaft durch einen Obervogt verwalten liess.

Die überlieferte Geschichte Dettighofens beginnt 1348, als Kaiser Karl IV. den Freiherrn Imer von Bürglen mit der Vogtei Dettighofen belehnte. Ob die gleichnamige Burg der Stammsitz des alten Patriziergeschlechtes der Tettikofen war, ist ungewiss. 1464 finden wir den Besitz der Burg Dettighofen und den der vereinigten Herrschaft Pfyn, Dettighofen und Koboltshofen (Kugelshofen) geteilt. Besitzer waren Werner von Holzhausen und die Brüder Otto und Erasmus Bernolt, genannt Peyer, Bürger zu Luzern. Jakob Mötteli von Rappenstein vereinigte die ganze Herrschaft in seiner Hand. Er liess die alte Burg zerfallen und erbaute einen neuen Herrschaftssitz in Pfyn. Schon 1521 wird Dettighofen ausdrücklich als «Burgstall» (Stätte eines niedergerissenen Schlosses) bezeichnet. Später gelangte die Gerichtsherrlichkeit an die Familie Reding von Frauenfeld. Der stolze und aussergewöhnlich gut erhaltene Grabstein von Gerichtsherr Wolfgang Friedrich Reding von Biberegg, «Dominus in Burg et Dettikoven» (+ 1756), ist ebenfalls in der Kirche Pfyn zu bewundern. Trümmer der abgegangenen Burg wurden zum Bau der späteren Liegenschaft »Burg» verwendet.

Geschichte ist mitunter unberechenbar. Was unverrückbar erschien, ging 1798 abrupt zu Ende. Mit der Helvetik erwachte neuer Verwaltungsgeist. Fleissig wurden Berichte geschrieben und Erhebungen durchgeführt. Eine davon war eine Bestandesaufnahme der Gewerbetreibenden. Für Pfyn sah diese um 1801/1802 u. a. folgendermassen aus: zwei Zimmerleute (Heinrich und Jakob Altenburger), zwei Metzger (Jakob Merk und Ulrich Rechberger; beide Namen figurieren übrigens in einem «Nachtrag» als Viehärzte – ob es sich wohl um die gleichen Personen handelt?), zwei Schenkwirte (Jakob Hüebli und Georg Herzog; sie waren gleichzeitig auch Bäcker), zwei Schuster (Kaspar Keller und Wilhelm Rüdin), zwei Wagner (Konrad Jung und Melchior Bürgis). Schliesslich gingen noch ein Dachdecker (Georg Merk), ein Schreiner (Kaspar Stump), ein Schmid (Balthasar Rechberger), ein Schneider (Wilhelm Hüebli) und ein Küfer (Wilhelm Rüdin) ihrer Profession nach. Um 1830 betrieben Jakob Herzog und «Herr» Johann von Tschudi (wie er aus Respekt seiner vornehmen Abstammung wegen genannt wurde) eine Mühle. Benedikt und Niklaus Weiss waren Ziegelbrenner, Melchior Rechberger beschlug Pferde, Kreisamtmann Hüeblin betrieb sowohl eine Bäckerei als auch eine Schenkwirtschaft. Schenkwirte waren ausserdem u. a. Alt-Ammann Jakob Merk, Alt-Bürgermeister Heinrich Keller und Alt-Richter Jakob Huber. Die «Krone» war eine Taverne, d.h. ein Gasthaus mit Beherbergungsrecht, und wurde von Johannes Spengler bewirtschaftet. Daneben müssen wir uns eine Vielzahl von Taglöhnern, Bauern oder Handwerkern in freien Berufen vorstellen, die den Charakter von Pfyn im 19. bis weit ins 20. Jahrhundert hinein bestimmt haben.

Luftbild von Walter Mittelholzer aus dem Jahr 1934

1949 zählte die seinerzeitige Ortsgemeinde Pfyn rund 900 Einwohner. Die soziale Struktur, so lesen wir im Aufsatz von Werner Dickenmann „Die Flurnamen der Gemeinde Pfyn“, sei einfach: „Das dominierende Element bildet ein bodenständiger Bauernstand mit annähernd 40 % der Einwohnerschaft. Gegen 30 % betreiben ein Gewerbe, daneben öfter noch Landwirtschaft im Nebenberuf. In der Industrie ist etwa ein Drittel tätig (etwa zur Hälfte in der Spinnerei des Dorfes, zur andern ausserhalb der Gemeinde); auch von dieser Volksschicht ist mindestens ein beachtlicher Teil noch nicht dem Heimatboden entfremdet. Eine irgendwie wesentliche Bevölkerungsverschiebung (wie sie manche grössere Gemeinde des Kantons während der letzten Jahrzehnte, besonders seit etwa 1940, aufweist) hat in Pfyn nicht stattgefunden. Das eindeutige Übergewicht der beiden erstgenannten Berufsklassen und etwa noch der Umstand, dass die wichtigeren Ämter, namentlich das angesehene des Gemeindeammanns, z.T. seit Generationen in den Händen alteingesessener Familien liegen, verleihen Pfyn das sympathische Gepräge eines unabhängigen, traditionsverbundenen Bauerndorfes.“ Im gleichen Bericht wird Dettighofen übrigens als ausgesprochene Bauerngemeinde mit ca. 150 Einwohnern beschrieben. Natürlich haben sich seither die Verhältniszahlen geändert. Die Bauern sind heute in der Minderheit, und die Vigogne-Spinnerei hat den Betrieb eingestellt. Mit Freude dürfen wir aber feststellen, dass die vor gut 50 Jahren formulierte Charakterisierung für unser Dorf im Wesentlichen weiterhin Gültigkeit besitzt. Mit der Verabschiedung des Leitbilds im Jahre 2001 hat der Gemeinderat identitätsstiftende und das Selbstbewusstsein fördernde Ziele bekräftigt.